Tragwerksentwurf und Produktion einer Betonstruktur aus Modulen erfolgen derzeit sachlich getrennt und zeitlich nacheinander. Der vorlaufende Entwurf legt dabei die durch die Produktion zu erfüllenden Anforderungen, wie etwa Toleranzen, fest. Werden diese nicht erfüllt, müssen Module nachgearbeitet werden oder sind Ausschuss. Das kann sich beim neuartigen Modulbau besonders nachteilig auswirken, da viele Einzelmodule zu verbinden und entsprechend hohe Toleranzanforderungen an die Fertigungsprozesse zu stellen sind. Dieses Teilprojekt beschreitet einen gänzlich neuen Weg. Aus den bisher getrennten, konsekutiven Prozessen Entwurf und Produktion wird ein gemeinsamer.
Durch einen neuen Ansatz zu Produktion und Kombination von Bauteilen sollen produktionsbedingte Streuungen von Bauteileigenschaften ausgeglichen werden. Zum Beispiel lässt sich ein „zu lang“ produziertes Modul – zuvor außerhalb der Toleranz und damit Ausschuss – in der Gesamtstruktur durch ein gleichartig „zu kurzes“ Modul kompensieren, sodass beide Module verwendet werden können. Auf diese Weise soll eine effiziente und verschwendungsarme Serienfertigung von Hochleistungsbetonbauteilen entwickelt werden.
Die geometrischen Abweichungen von Stabmodulen resultieren maßgeblich aus dem Schwinden des verwendeten ultrahochfesten Betons (UHFB) und lassen sich durch eine Wärmebehandlung bei 80°C mit variabler Dauer eingrenzen. In der ersten Förderperiode wird der Zusammenhang zwischen der Dauer der Wärmebehandlung, dem residualem Schwinden und den Streuungen der Materialeigenschaften des UHFB experimentell bestimmt und statistisch aufbereitet. Basierend auf diesen Erkenntnissen wird zum einen die erreichbare Genauigkeit der einzelnen Module durch Auswertung der zu erwarteten Knotenverschiebungen beurteilt.
Zum anderen wird ein Konzept für ein Produktionssystem nach dem Fließprinzip und eine adaptive Produktionssteuerung entwickelt, mit der gezielt Einfluss auf die Wärmebehandlung genommen werden kann, um eine Steuerung von Bauteileigenschaften zu erreichen. Hierfür werden die erzielten Ist-Verteilungen der Bauteileigenschaften (z. B. geometrische Abweichungen) der zu einem bestimmten Zeitpunkt produzierten Chargen ermittelt. Anschließend werden mit Hinblick auf die bereits assemblierten Bauteile und die zu erstellende Gesamtstruktur die Soll-Verteilungen der nächsten Charge bestimmt. Dies geschieht durch die gezielte toleranzausgleichende Assemblierung der hergestellten Module (gleichschenklige, gelenkig verbundene Y-Module) zu ebenen und statisch bestimmten Sechseckwaben. Hierzu wird ein stochastischer Permutationsansatz für die optimale Platzierung von Modulen in Abhängigkeit der geometrischen Abweichungen und der notwendigen Tragfähigkeit der Module verwendet. Der Entwurf als Anforderung an die Produktion wird somit von Charge zu Charge - d. h. transient – und in Interaktion mit der Produktion angepasst. Hierdurch entsteht eine transient-interaktive Kopplung zwischen Entwurf und Produktion in quasi Echtzeit, die eine toleranzfreie Serienfertigung ermöglicht (Abbildung 1).
In der zweiten Förderperiode wird der Fokus auf statisch-unbestimmte Systeme mit allgemeinen Modulformen gelegt, bei denen die Produktionssteuerung und Prozessregelung kontinuierlich unter Einsatz von Reinforcement Learning erfolgt. Ziel ist es, ganzheitliche virtuelle und reale Demonstratoren im 1:1 Maßstab umzusetzen.
Hierfür soll zunächst der Einfluss einer rapiden Wärmebehandlung zwischen 2 und 24 h bei 80°C und 60 % rel. Luftfeuchte auf das lastabhängige Kriechen von hochfestem Beton untersucht werden. Schwerpunktmäßig soll dabei der Kurzzeitbereich von der Produktion bis zur Modulmontage von etwa 30 Tagen betrachtet werden. Funktional aufbereitet fließt das lastabhängige Kriechen neben den evaluierten Schwindverformungen in die Optimierung der Modulanordnung. Die betrachteten Module werden zu viereckigen Scheiben verallgemeinert, deren Position innerhalb von Wandscheiben mithilfe einer Platzierungsheuristik optimiert wird, um geometrische Abweichungen in den Kontaktknoten zu minimieren. Mithilfe einer weiteren Metaheuristik wird der aktuelle Bauzustand analysiert, um die benötigten Module in Hinblick auf die Tragfähigkeit und den erforderlichen Abmessungen für die weitere Produktion vorzugeben. Schnittgrößenumlagerungen infolge Kriechen, Schwinden sowie Rissbildung werden transient für die Bauzustände betrachtet. Im Anschluss werden die allgemeinen Scheibenelemente topologisch optimiert und für unterschiedliche Knotenlastintervalle Modulkonstruktionen abgeleitet.
Aufgrund der losfreien Fertigung erfolgt die Entscheidung über Wärmebehandlungsdauern nicht mehr von Los zu Los. Stattdessen wird für jedes Modul immer dann entschieden, ob seine Wärmebehandlung begonnen oder beendet werden soll, wenn im Produktionsablauf neue entscheidungsrelevante Informationen entstehen. Durch die Betrachtung von Modulvarianten mit wählbarer Fertigungsreihenfolge und die wahlfreie Belieferung von Baustellen erhöht sich die Komplexität des Modells weiter. Für diese dynamischen und komplexen Entscheidungssituationen wird mittels bestärkenden Lernens auf Basis einer ereignisdiskreten Ablaufsimulation ein Entscheidungsmodell (Agent) trainiert. Aus dem resultierenden Modell und den Ergebnissen der topologischen Optimierung wird ein Zusammenhang zwischen der Anzahl der gefertigten Modulvarianten und den Herstellkosten ermittelt. Der entwickelte Ansatz wird abschließend in einem virtuellen Demonstrator für ein ausgewähltes Szenario angewandt und ein Teil der resultierenden optimierten Tragwerke in einem realen Demonstrator aufgebaut.
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